28. AUGUST 1941(der schwarze Tag)
Reinhold Frank

August. Ein Tag wie gestern, wolkenloser Himmel.
Die Steppe badet in der Sonne goldnem Schein,
auf Feldern und auf Wegen tätiges Gewimmel:
Ein Volk fährt seines Fleißes Lohn, die Ernte, ein.

Da schlägt, vom Kreml selbst erfunden und gezündet,
aus heitrem Himmel prompt die Lügenbombe ein,
als ein Ukas, der barsch und rücksichtslos verkündet,
daß alle Wolgadeutschen Diversanten sei'n.

Noch gestern schallte Lob von der Kongreßtribüne
dem Volk, das heute man beschuldigt und als Sühne
pauschal entrechtet und entehrt mit einem Schlag.

Und die um hundertachtzig Grad vollführte Wende
am achtundzwanzigsten August - dem schwarzen Tag -,
sie war der Anfang eines Volkes sichrem Ende.





Bettelkind in Sibirien
Reinhold Frank


Es trippelt und stolpert bei Schnee und bei Wind
auf sibirischen Wegen ein deutsches Kind.
Die Eltern, die nahm man ihm weg mit Gewalt,
und Oma liegt krank, und der Ofen ist kalt.

Drei Tage kein Brot mehr im Haus –
da trieb es der Hunger zum Betteln hinaus.
Fremd ist ihm die Sprache im weltfremden Ort,
es kennt nur ein einziges russisches Wort.

Statt „Brot“ sagt's jetzt „Chleb“, und streckt sein Händchen vor,
steht frierend vergebens vor manch fremdem Tor.
Man stößt es und jagt es mit Drohungen fort:
„Verschwinde, Verfluchter, zieh weg aus dem Ort!“

Ihn schwindelt vor Hunger, die Kraft geht ihm aus,
der Abendwind schiebt es zum Dorfe hinaus.
Die Nacht ist so dunkel und frostig der Wind, -
sibirische Straßen gefahrenreich sind.

Der Sturm rast vorüber. Die Wolken ziehn ab.
Am Wegrand erstarrt liegt ein Kind ohne Grab,
sein flehendes Händchen zum Himmel gereckt,
von schneeweißem Leichentuch gnädig bedeckt.