An meine Muttersprache
Erna Hummel (1914-1988)

Durch dich verlor ich einst mein Vaterhaus.
Erniedrigt mußt’ ich in die Welt hinaus…
Doch deiner Lieder traute Melodien
ließ leise ich in meine Seele ziehen.

Als deinetwegen ich im Staube lag,
warst du es doch, die neue Kraft mir gab.
Und wenn man deinetwegen mich verhöhnt,
hab ich mit meiner Liebe dich gekrönt.

Und als der Tod durch Menschenreihe schlich
und Grab um Grab sich öffnete für dich,
du bliebst mir nah, ich habe dich geliebt,
du wart für mich mein allerschönstes Lied.

Wo man verächtlich dreimal dich verflucht,
hab’ ich dein Wort, dein zärtlich Wort gesucht.
Und wenn kein Freund mehr klopfte an die Tür,
warst du mein Trost – ich flüchtete zu dir.

Im tiefsten Elend und im größten Schmerz
gehörte dir mein schuldlos schuldig Herz.
Ein Tränenmeer hat meinen Blick getrübt,
wenn Freveltaten man an dir geübt.

Auch hier warst du und sagtest: „Weine nicht!
Die Wahrheit siegt, wirft über mich ihr Licht
Still deine tränen, denn der Tag ist nah,
wo du erfährst, wie unrecht mir geschah!“

Ich glaubte dir, ich jubelte dir zu
und fand durch dich auch die ersehnte Ruh.
Aus deinen Quellen schöpfte ich den Saft,
der mich gesund und glaubensfroh gemacht.

Wenn ich im Staub auch deinetwegen lag,
bliebst du die Kraft, die neue Hoffnung gab,
wenn ich auch tausendmal durch dich verlor,
ein Hoch den Glück, das ich durch dich erkor!