Reise-Beschreibung der Kolonisten, wie auch Lebensart der Rußen, von Offizier Bernhardt von Platen |
|
|
|
|
|
1. Was ist das vor ein Schmerz Daß ich muß Deutschland meiden Und nun als Kolonist Viel Plag und Kummer leiden Betrübniß viel Verdruß Zu Wasser und zu Land Drum bin ich ärgerlich In diesem neuen Stand. |
2. Stadt Lübeck war der Ort Wo man thät angaschiren Da konnte wer da wollt Jung, alt und groß und klein Zu diesem Gast-Gebot Bald eingeladen seyn. Drum thät ich alle Tag Mir mit Gedanken quälen |
3. Mundirung Geld und Gut Thät mir nun gänzlich fehlen Kurz meine ganze Sach War herzlich schlecht bestellt Ich kann es ohne Klag Vor Leute so verhehlen Ich mußte Barfuß gehen Kein Schnapps war nicht zu wählen. |
4. Drauf resolvirt ich mich Auch mit dahin zu gehen Ob ich mein Glück nicht könnt In Rußland blühen sehen Ging also eilings hin Zum Werbungs-Kamisanden Sagt daß ich ein Offizier Auch gut von Adel war. |
5. Bat mir zu Gnaden aus Der Kaiserin zu dienen Deßfalls war ich allda Nach Rußland jetzt erschienen Um diese Reis zu thun Mit in das neue Land Ich kam auch also gleich In den Kolonistenstand. |
6. Acht Schilling alle Tage Bekam ich zu verzehren Könnt gehen wo ich wollt Hat mich an nichts zu kehren So lebt ich 14 Tag Ganz ruhig im Quartier Allein da gings zu Schiff Ein sehr betrübt Plamir. |
7. Da ward ein jeder Mann Mit Brofiant versehen Und so nach Petersburg Ins Schiff hinein zu gehen Allein condrerer Wind Macht uns die Reise schwer Das Brofiant ging auf Die Taschen wurden leer. |
8. Sechs Wochen mußten wir Die Wasserfahrt ausstehen Angst, Elend, Hungersnoth Täglich vor Augen sehen Also daß wir zuletzt Salz-Wasser, schimmlich Brod Zur Lebens unterhalt Erhielten kaum zur Noth. |
9. Bis diese Glücksstund kam Oranienbaum zu sehen Da thät ein jeder nun Mit Freud vom Schiffe gehen Quartierten 14 Tag Uns in die Häuser ein Von da nach Petersburg Ja all zum Schiff hinein. |
10. Bei dieser Hauptstadt nun Thäten wir drei Wochen bleiben Und auf dem Wasser uns Im Schiff die Zeit vertreiben. Darzu bekamen wir Zehn Kreuzer in die Hand Weil uns 3 Groschen Tags An Abzug war bekannt. |
11. Dies kam mir spanisch vor Weils teier war zu leben Mein Geldsack war betrübt Und keiner wollt was geben Da dacht ich bei mir selbst Dies ist ein schlechter Spaß Das Geldchen ist verzehrt Und hast noch keinen Fraß. |
12. Wo dieses lange währt Wie wird es mir noch gehen Viel Kranke thät ich auch Auf allen Seiten sehen Doch hielt ich Köndin aus Und bat auch inniglich Um nur gesund zu seyn Das andre findet sich. |
13. Drum Leser finde dich So wie ich mich thät finden Vielleicht haben wirs verdient So beyd' mit unsern Sünden Hab Hoffnung und Geduld Und sey mit dich vergnügt Wirf alle Sorgen weg Die dir am Herzen liegt. |
14. Drum werden wir gesund Nach Saratow hinkommen Die weil wir schon den Weg Nach Schlüsselburg genommen Ach Himmel hilf uns bald Von dieser Wasser-Qual Wir fuhren auch gar bald Gar hoch und tiefe Thal. |
15. Allein noch wenig Trost Wir mußten weiter reisen Bis daß wir bei der Stadt Pasirten durch die Schleußen Da kamen wir endlich hin Zur Stadt hieß Nowgorod Hier spielte abermal Mein Geldsack ein Pankrot. |
16. Nun hört ich 30 Werst Wird man zu Schiff noch gehen Dann wird man uns zu Land Bald auf die Wagen sehen Da wir denn alle Nacht Stets kommen ins Quartier Nun dacht ich bei mir selbst Dies Reisen freuet mir. |
17. Allein Potssappermend Ich hab es wahr genommen Ich bin bei Tage nicht Zu einen Sitz gekommen Da hieß es laufe nur Und geh beim Wagen her Dies wahren harte Wort Und fiel mir herzlich schwer. |
18. Und wann den ganzen Tag Wir denn recht müd gegangen Und hatten zum Quartier Ein sehnliches Verlangen Die weil mein matter Leib Vor Kalt und Hungersnoth Ich gerne ruhen wollt Und sättigen mit Brod. |
19. Wir mußten 14 Tag Beim Wagen patrolliren Und Weiber mit Pakasch Zu Lande transportiren Hier wurden viele krank Und viele blieben todt Die Kinderlein voraus Die litten große Noth. |
20. Da kamen wir zur Stadt Wo wieder Schiffe lagen Hier wollten wir uns nun Vor Kälte schon beklagen Allein was war zu thun Man mußt zur Bark hinein Dieweil noch kein Quartier Vor uns bestimmet seyn. |
21. Da rief ein jeder nun Wie thut man uns fexiren Doch halt das Wasser wird In einigen Nächten frieren Und wie denn auch geschah Zur Torschhof hieß der Ort Drum schreibe ich anjetzt Hier meine letzte Wort. |
22. Doch halt es fällt mir ein Schon wieder was zu schreiben Und will mit diesem Reim Mir meine Zeit vertreiben Wir kamen alle sammt Mit einer Bittschrift ein Daß wir doch im Quartier Zum Winter mochten seyn. |
23. Da dieses nun hieß ja Mann soll uns einquartieren Die weil ein jeder glaubt Er würde bald erfrieren Transportirte man uns gleich Ja in die Dörfer ein Wo wir auch dazumal Gleich einquartieret seyn. |
24. Da ich nun diese Zeit Sehr vieles ausgestanden Dennoch nicht böse ward Mit schelten Fluch und Banden Ob schon mein neu Quartier Sehr traurich thät aussehen Doch mußt ich mit Geduld Dies alles überstehen. |
25. Die weil ich mich erfreut Die Rußen anzuschauen Sah mit Verwunderung Wie sie ihr Land bebauen Das wird nicht recht gepflügt Nicht ordentlich besäet Und wenn die Früchte reif Von Herzen schlecht gemeht. |
26. Da nun auf manges Land Ja wirklich reicher Segen Weil hier an dem Verstand Der Bauer sehr verlegen Denn nehmen sie ein Pferd Mit ein klein Wägelein Und legens auf ein Häuf Daß muß die Scheuer seyn. |
27. Der Regen, Wind und Schnee Der muß nun Ordnung halten Hans Russemann sitzt im Haus Thut weiter nichts verwalten Bis daß die größte Noth Und ihn der Hunger treibt Nun spricht er Matschka komm Hol was noch übrig bleibt. |
28. Dann nimmt er dickes Holz Fängt grausam an zu schlagen Ja wenn ichs angesehn Ich thue bald verzagen Daß so ein Unverstand Und reicher Segen war Vor Faulheit stinkt der Ruß Das ist ja hell und klar. |
29. Sonst Rußlands Gegenden So ich bisher gesehen An Holz und Wies und Feld Kann alle Zeit bestehen Nur daß es von Natur Den Winter ist bekannt Wer wenig auf dem Leib Dem frieret auch Fuß und Hand. |
30. Nun hab ich in der Kürz Des Landes vorgenommen Jetzt will ich auf die Tracht Und Lebensarten kommen Dieweil ich Winterszeit Hab alles angesehn Es ist recht in der That Und wirklich so gesehen. |
31. Als ich das erste Mal In mein Quartier getreten Da hört ich ja den Ruß Stark seufzen stehn und beten Und waren jung und alt Von Herzen sehr betrübt Weil man den Kolonist Ihm ins Quartiere giebt. |
32. Und Batschka sein Gestalt War böse anzuschauen Seim haarigen Gesicht Dem that ich gar nicht trauen Er ging fast fällig nackt Im bloßen Hemd allein Und Matschka mußt mit ihm Stets auf dem Ofen seyn. |
33. Ich kuckt ins Ofenloch, Weil oben alle lagen Sie wollten sich bald all Mit Faust und Finger schlagen Doch mit dem großen Bart Der kam vorher hinein Wo Batschka, Matschka auch Bald nachgefolget seyn. |
34. Doch weil es morgen war Und ich von Schlafe kam Sah ich den Rußenmann Wie auch die Baba an Ich dachte bei mir selbst Was soll denn das bedeuten Die gehen ja bloß im Hemd Und das vor allen Leuten. |
35. Doch hatten groß und klein Die Spintel in der Hand Und nach der Ofenblat Sich alle zugewand Ich hatte nun die Stub Vor mir allein zu sehen Nur Hüner, Schwein und Schaf Davor könnt ich kaum gehen. |
36. Die führten sich dabei Auch ziemlich schmutzig auf Da dacht ich bei mir selbst Hier gehst du auch wohl drauf Allein was war zu thun Bei diesen kalten Tagen Da man die warme Stub Sehr gerne thut vertragen. |
37. Drum ging ich ab und an Mit Matschka, Batschka Weib Und sah die Tafel an Zu meinen Zeitvertreib Die Älteste im Haus Die thät mir allzeit kochen Doch sah ich wenig Fleisch Desfalls auch wenig Knochen. |
38. Allein Kapusta Quaß Hirse und Heyte-Gritz Das macht sie sich die Woch Und alle Tag zu Nutz Und wenn sie dann gekuscht Die Jungen mit den Alten Daß keiner bei dem Tisch Was weiter zu verwalten. |
39. Da ging es mit Gewalt Wohl auf den Ofen zu Da lagen sie zwei Stunden Und hielten gute Ruh Als dann erwachten Sie Bald einer nach dem ändern So thät Hans Batschka auch Wohl nach dem Hofe wandern. |
40. Haut einige Stücker Holz Gab seinen Pferde Stroh Und war mit seinen Bart In seinem Herzen froh Ja wenn ich darauf komm Wie schlecht das Vieh gehalten Zwei alte dürre Pferd Die müßen das verwalten. |
41. Was man in Deutschland kaum Mit zween Pferde kann Und mit der größten Fuhr Spannt Batschka eins nur an Kein Haber oder Korn Sieht man das Vieh hier geben Doch aber gutes Heu Dabei muß alles leben. |
42. Milch ist im Überfluß Doch Käs und Butter nicht Weil es der Bauer hier Nicht weiß wies zugericht Nun ist es wahr gesagt Von dem gemeinen Leben Als von dem Bauersstand Wovon die Red thut geben. |
43. So arbeit er nicht viel Er lebt auch herzlich schlecht Er führt auch keinen Staat Der Herr geht wie der Knecht Kein Silber Seiden Zeug Nur lauter Leinwand Sachen Das läßt er sich im Haus Von seiner Matschka machen. |
44. Keine Stiefel keine Strumpf Ja auch sogar die Schuh Da nimmt er aus dem Wald Von Bäumen Bast dazu Doch hat er einen Pelz Den trägt er Winterszeiten Und das nicht alle Tag Nur wenns was soll bedeuten. |
45. Sonst sind sie von Natur Hier schon so hart gewohnt Sie haben den Anzug nicht Daß es der Mühe lohnt Und mir war so zu Muth In diesen kalten Tagen Ich scheu mich fast davor In meiner Schrift zu klagen. |
46. Mir fror mein Herz im Leib Mein Geldsack fror mir ein Desfalls muß ? Matschka stets Mit mir beim Ofen seyn Nun die Mobilien im Haus Ich muß ?sie auch beschreiben Des Morgens könnt vor erst Ich nicht im Zimmer bleiben. |
47. Vor Rauch und dicker Dampf Weil hier kein Schornstein war Bis daß mein Mittagsbrod Im Ofen fertig war Gorschok und Badeika Weil wir die Töpfthun nennen Lernt man im Überfluß In ihrer Wirtschaft kennen. |
48. Kein Kessel, Kupfer Zeug Kein Eisen, Zinn noch Blei Nur eine Küchenpfann Die ist noch wohl dabei Sonst all ihr Hausgeräth Als Schüssel, Löffel, Teller Dies alles ist von Holz Und kostet nicht zwei Heller. |
49. Die Fenster sind von Glas Doch nur zwei Scheibelein Daß kaum die liebe Sonn Kann geben ihren Schein Kein Bette lieben sie Die Bank und auch der Ofen Da muß die Matschka nun Den Batschka innig loben. |
50. Daß er in diesem Stück Hier thut was sich gebührt Daß er so manches Kind Hierauf so fabricirt Auch ist hier der Gebrauch Sich wöchentlich zu baden Dies ist recht rusche Luft Einander einzuladen. |
51. Was Batschka nun im Haus Die Woch versäumet hat Zahlt er der Matschka aus Ganz nakt im Wasserbad Auch fällt mir dabei ein Ich sah vor einigen Tagen Halt ein ich mag es nicht Vor allen Leuten sagen. |
52. Ich saß an einem Tisch Schrieb diesen Lebenslauf Lag Matschka auf der Bank Und Batschka oben drauf Was hier nun ist geschehen Das kann ich zwar nicht wissen Nur daß ich wirklich sah Den Batschka Matschka küssen. |
53. Was bei dem Küssen ist Nun weiter noch geschehen Das hab und magt und wollt Und könnt ich auch nicht sehen Wo komm ich aber hin Was brauch ich mehr zu schreiben Ich will bei meinem Marsch Und Reisbeschreibung bleiben. |
54. Wir liegen noch allhier Ganz ruhig im Quartier Ich glaub wir gehn nun mehr Jetzt balde weg von hier Nun da es auch so hieß Wir sollen weiter reisen Man wird uns morgen schon Auf eine Barke weisen. |
55. Drum Dank ein jeder jetzt Vor noch gesund zu seyn Ein jeder geh mit Freud Zu seinem Schiff hinein Damit wir dermal eins Auch mögen dahin kommen Zum angewiesnen Ort Den wir uns vorgenommen. |
56. Mir deugt es brauset schon Der alte Wolgenstrom Hier lag auch eine Stadt Die hiesen sie Perma Spannt nun die Segel auf Und laßt die Wellen toben Und hilft das Glück uns hin So wollen wir es loben. |
57. Anjetzt schon sieben Stadt Mit Glück vorbei pasiert So es uns auch gar bald Nach Saratow hinführt Der Schiffer sieht ja auch Kasackenstadt schon liegen Und wenn die Augen mir Nicht mit Gewalt betrügen. |
58. So seh ich schon die Städt Mit Namen Saratow Und in zwei gute Stund So sind wir alle dort Mein Freund wie mir zu Muth Wie ich war angekommen Karasche, Herz und Muth Dieß war mir als benommen. |
59. Ich dachte bei mir selbst Ist das der schöne Ort Der hat nicht mal ein Thor Viel weniger eine Pfort Lang quälen ist der Tod Wir haben uns ergeben Mag kosten Haut und Haar Herein ins wilde Leben. |
60. Seht Kinder sehet doch Kasackenstadt ist da Und unsere Sen den Sens Die liegt in Saratow Herunter von dem Schiff Man wird euch Örter zeigen Wo Korn und Mesler Feld Auch Äpfel, Quetschen Feigen. |
61. Vor wild auf Feldern wächst Denkt nur ans Paradies Ich glaub kaum Gersten Gritz Viel weniger noch Reis Doch tröst euch mit Geduld Und laßt die Hoffnung grünen Seht frei und fröhlich aus Macht auch nicht böse Mienen. |
62. Ob schon das Herze weint So lächelt doch der Mund Ihr krieget Land und Sand In einer Viertel Stund Ihr Bauern tretet aus Man ruft euch Kolonisten Hier gilt kein Bürger nicht Und auch kein Profissionisten. |
63. Kein Adel Charakter Kein Amtrecht kein Offizier Ihr müßt nun Bauern seyn Da ist kein Rath dafür 0 weh was sagt mein Herz Was quälen mir Gedanken Wie viele sah ich krank Ja gar auch Sterbens Kranke. |
64. Ich dachte hin und her Soll ich ein Bauer seyn Da schlage Pulver Blei Und alle Flam hinein Nun wurden wir vertheilt Als wie in Noahs Kasten Wer nichts zu fressen hat Bereite sich zum Fasten. |
65. Doch wer nur fleißig ist Und keine Faulheit übt So lebt der Vater noch Der uns zur Nahrung giebt Nun lebet alle wohl Ihr Kolonisten Brüder Das Freuden Lied ist aus Jetzt mach ich Trauer Lieder. |
66. Man hat aus mir Offizier Ein Prozepter gemacht Bleibt jetzo all gesund Ich sage gute Nacht Nun hieß es weg von Schiff Man wird euch Örter zeigen Jetzt seyd ihr Mann vor Mann So gut als wie Leibeigen. |
67. Da habt ihr euren Fleck Nun schafft euch euer Brod Arbeiten müsset ihr So lang bis in dem Tod Und wenn ihr gnug geschafft So ist es denn vollendet Dann heist es große Noth Viel Arbeit wenig Brod. |
|
|
|