Thymian

Dominik Hollmann
(Auszug aus dem Poem über die ersten
deutschen Kolonisten an der Wolga)


Die Steppe ist schon ausgebrannt,
grau ist das Gras und brüchig:
Ein traurig kahles Stachelland.
Die Kratzdisteln sind wutentbrannt.
Wie weh tun ihre Stiche!

Der Peter sieht sich schaudernd um,
und seine Lippen beben.
Nur fremde Öde ringsherum!
Ist es denn nicht doch allzu dumm,
Von nun an hier zu leben?!

Ein Erdhas da, mit langem Schwanz
und kurzen Vorderbeinen,
hüpft leicht im heißen Sonnenglanz
zum Hügel, wo er sich verschanzt
im Sande hinter Steinen.

Und kerzengrad der Pfiffer* steht,
weit tönen seine Pfiffe,
daß Steppenaar schon nach ihm späht,
der Geier schon zum Sturzflug geht,
das hat er nicht begriffen.

Der Echse tut die Sonne gut
auf jener Sandsteinplatte.
Sie wärmt ihr träges kaltes Blut.
Dem Mann vergeht beinah der Mut:
kein Baum verbreitet Schatten.

Ist das nicht unser Mißgeschick
und lauerndes Verderben?
Umsonst sucht einen Wald sein Blick!
O, könnten wir noch mal zurück!
Zu Hause möcht ich sterben...

Und fast zertritt er mit dem Fuß
ein unscheinbares Kräutlein...
Welch herber Duft! Als wär’s ein Gruß,
ein lieber trauter Heimatgruß
wie Abendglockenläuten!

Bezaubert steht er da und weint,
doch sind es Freudetränen.
O, Thymian! Du kleiner Freund
fühlst meine Not. Mit dir vereint
will ich daheim mich wähnen!

Trost redet zu er seiner Frau
und seinen Nachbarsleuten.
„Zwar gibt’s hier keine Blumenau
und wenig Grün, zumeist nur Grau,
doch seht mal - diese Weiten!“

* Pfiffer - Ziesel