Das Lied vom Küster Deis David Kufeld |
|
|
|
B E I T R A G zu unserem 150-jährligen Jubiläum 1764 - 1914 ( 29. Juni 1764* - 29. Juni 1914 ) *„Gründungstag des ersten Wolgadeutschen Dorfes - Dobrinka auf der Bergseite der WOLGA" S a r a t o w 1914 Buchdruckerei E.K.ISMAIL, Iljinskaja, 32 |
|
Gewidmet meiner teuren Mutter Katharina Kufeld, geb. Hauenstein nebst ihren lieben kleinen Enkeln: Ida, Nikolai, Oskar Arwid Kufeld und Klärchen, Sascha, Andrusch, Ida und Walter Winschu.Statt Vorrede ( Psalm 78,2 ) Ich will meinen Mund auftun zu Sprüchen und alle Geschichten aussprechen, die wir gehört haben und wissen, und unsere Väter uns erzählet haben, daß wir es nicht verhalten sollten ihren Kindern, die hernach kommen... I. KAPITEL Märchenwelt Weit, weit in der Stepp', wo Eulen Wilde schreien, Wölfe heulen. Kalter Sturm die Leute schreckt, Und ein Silbermeer im Winter Glizernd Hütt' und Steppe deckt; Wo bei Sturm die Hexen toben, Auf dem Kirchturm tanzen oben, Reisende vom Wege führ'n. Pferde in den Ställen reiten, Klopfen wütend an den Tür'n; Die Vampyr' mit grünen Augen An den jungen Müttern saugen. Und der Alp die Männer drückt, Und die alten Weiber brauchen, Wenn ein Wiegenkind erstickt; Zwischen elf und zwölf die bleichen Toten aus den Gräbern steigen, Schüchtern durch die Gassen geh'n, Sachte in die Höfe schleichend, Winkend vor den Fenstern steh'n; Wo im Frühling aller Farben Tulpen, Überschüt't mit Garben Goldner Strahlen, leuchtend bluh'n, Bunte Schmetterlinge flattern, Kraniche durch die Lüfte zieh'n; Lerchen trillern, Adler schweben, Riesenspinnen Netze weben Wirbelwind das Feld behext, Hexenkraut und Bärenklaue Ziegenbart und Fuchsschwanz wächst; Aus den fernen Wolgawiesen Abends wehen milde Brisen, In dem Sumpf das Irrlich winkt, Die Rohrtrommel hohl erschallet, Und im Gras der Glühwurm blinkt; Viele Wundertöne klingen, Laute Nachtigallen singen, Schmachtend, in sich selbst verliebt, Und verliebt in Nacht und Sterne Schöneres es nirgends gibt; Wo die Träume sich erfüllen, Was passieren wird enthüllen... Dort in jener Märchenwelt War in einem deutschen Dörflein Deis als Küster angestellt. II. KAPITEL Das Dörflein NEURUSLAN; dessen Einwohner und der Küster DEIS Gottesfürchtige, gescheite, Brave, botmässige Leute Gründeten am Jeruslan Dieses erste deutsche Dörflein, Und sie nannten's Neuruslan. Klein war's Dörflein: nur zwei Strassen; Deis und alle Männer sassen Somers abends vor dem Tor, Und sie sprachen von Jehovah Und vom Kaiser und Pastor. Und bewunderten die Sterne Und den Mond am Himmel ferne, Der regiert die stille Nacht, Wie die ganze Welt erschaffen Wunderbar, voll Wunderpracht!... Und von and'ren hohen Dingen Sprachen sie... Doch wiederbringen Alle Reden kann man nicht: Glücklich, die da schauten Deis von Angesicht zu Angesicht. Gottvertraulicher als heute Waren damals auch die Leute: Lebten sorgenlos und froh, Schön geweißt war'n ihre Hütten Und gedeckt mit warmen Stroh. Seelenpärchen, auserkoren, Zu gebären just geboren, Splitterchen der Ewigkeit, Sie vibrieren wie der Äther, Füllen die Unendlichkeit. Um den and'ren lieben Morgen Machten sie sich wenig Sorgen: Säland hatten sie genug, Jeder pflügte, wo er wollte Mit dem selbstgemachten Pflug. Doch geschah dies nie in Eile! „Eile, sprachen sie, mit Weile“; Ackerten bis Ende Mai, Und, erst wenn der Winter drohte, Machten sie ihr Steppenheu. Selten, selten nur passierte, Daß die Sommersaat fallierte: Fruchtbar war das Land ja sehr, und der Ziegenbart schlug Wellen, Schien von Ferne wie ein Meer. Aber doch zu jenen Zeiten Gab es Schulden bei den Leuten: Jedes Frühjahr wurd' geborgt Und gemeinschaftlich für Samen, Futter und für Brot gesorgt. Lange Jahre später mussten Ihre Enkel, die nicht wussten, Wie entstanden war die Schuld, Viele Tausende bezahlen... Doch sie taten's mit Geduld. III. KAPITEL Die Beamten zu NEURUSLAN Dorfschulz war der alte Schrepper, Kirchvorsteher Glitsche Schepper Und der glatte Himmelstab, Sotnik war der dicke Fedka Und Desjätnik Derrmauls Jab, Richter war der Zickepenner, Lauter hochgeehrte Männer! Ehre, dem die Ehr' gebührt Doch am meisten unter allen War der Küster ästimiert. Weit und breit durch seine Reden, Durch sein wundervolles Beten War der Küster Deis bekannt Lebend, nahm er zu an Weisheit, Starb, beweint vom ganzen Land. IV. KAPITEL Die Ämter und Talente des Küsters Deis Wenn ich nur beschreiben könnte Alle Ämter und Talente, Die der Küster Deis besaß, Aufsperren würde wohl mein werter Leser staunend Mund und Nas! Gibt's ein Amt des Küster schwerer? Deis war Küster, Kantor, Lehrer, Organist und Sekretär, Regent, Archivar und Feldscher, Glockenläuter und noch mehr!...* _______________________ * Auch Kolonieschreiber. _______________________ Himmlisch schön war seine Stimme, Deis'chens laute, mächt'ge Stimme! Wohl ein Wunder der Natur: Alle Stimmen konnt' er singen, Alle Lieder nach der Schnur! Wenn er betete um Regen, Aus den Wolken quoll der Segen! War'n die Leut den Regen müd', Oder wollten Lehmstein trocknen, Dann sang er ein anderes Lied. Manches hat er selbst gedichtet, Doch die Werke sind vernichtet Und verweht vom Steppenwind... Wieviel teure Manuskripte Uns schon so verloren sind! Manches hat er selbst gedichtet, Doch die Werke sind vernichtet Und verweht vom Steppenwind... Wieviel teure Manuskripte Uns schon so verloren sind! Manches hat er selbst gedichtet, Doch die Werke sind vernichtet Und verweht vom Steppenwind... Wieviel teure Manuskripte Uns schon so verloren sind! Deischen glaubte nicht ans Brauchen Und an Teufelsknittel rauchen, Doch Gespenster trieb er aus: Hat dem Glittsche Schepper einmal Reneviert sein ganzes Haus! Stammbäum' malen, komponieren, Wandkalender ausklugieren Konnt er auch, oh denkt euch nur! Ja, das war ein Mann! Und dennoch War er groß nicht von Statur: Klein und fein, ein dürres Hälschen, Hitzig wie ein Schwefelhözchen, Doch von jedermann geehrt, Und die Kinder in der Schule - Strenge hat er sie gelehrt. Von Natur war Deis nicht böse, Herzensgut und liebte Spässe, Freundlich mit dem ärmsten Wicht. Nur ein einz'ger war im Dorfe, Den der Küster liebte nicht. Sonst liebt' Deischen alle Leute, Und der einz'ge, den er scheute, Weil er lästerte gemein, War der reiche Zelowalnik Großkopfs listiger Kasain. Diesen Mann konnt' Deis nicht leiden, Gab sich Mühe ihn zumeiden: Sah, wie er die Leut' betrog, Stets sie suchte auszubeuten Und zum Saufen oft bewog. Letzt'res machte Deis viel Schmerzen Doch wie freut' er sich von Herzen, Wenn er hörte, daß im Ort Viel' die Schenke boykotieren, Aufgekläret durch sein Wort. Solche ließ er grüßend kommen Und, sehr freundlich aufgenommen, Lehrte sie, daß Geld und Hut Des so reichen Zelowalniks Auf der Not der Trinker ruht, Die Kabak, ein Stück der Hölle Sei nur aller Laster Quelle, Der Kasain dem Mammon dient, Und als solcher Höllendiener, Auch die Hölle einst verdient. Und begann in Schreckensbildern Alle Höllenqual'n zu schildern Und des Teufels Macht und List, Und wie grußlich, und wie häßlich, Und wie grausam Satan ist! Allen Männern und den Frauen Kam bei seiner Red' ein Grauen Und erblaßten wie die Wand: Sie bekehrten sich und drückten Dankend Deis'chens treue Hand. Allen wünscht' er Gottes Segen Auf ihr'n sittlich keuschen Wegen Und erklärte freundlich wie Mit dem Satan man muß kämpfen Und begeisterte stets sie. Ferner machte ihm noch Sorgen, Wenn er sah die Leute borgen Bei dem geizigen Kasain Schlechte Waren und noch zahlen Dreißig Prozent obendrein. Väterlich riet er den Leuten Sich nicht lassen auszubeuten: „Liebe Kinder, seid ihr dumm - Solchen Höllenzins zu zahlen? Gründet euch doch ein'n Konsum; Soll der Wunch'rer sich des rühmen, Was ihr selber könnt verdienen? Herbst's Zeit habt ihr Geld genug, Um euch gute War' zu kaufen In der Stadt ohn' Lug und Trug; Sonst bleibt ihr des Wuch'rers Beute“. Leichter atmeten die Leute, Aufgeklärt durch Deis' Verstand, Sannen ernster nach und drückten Dankend Deis'chens treue Hand. Und auch diesen wünscht' er Segen Auf ihr'n wirtschaftlichen Wegen Und erklärte freundlich wie Man muß einrichten die Sache Und ermutigte stets sie. V. KAPITEL Deis'chens Unterricht in der Schule Kinder liebte Deis von Herzen, Liebte manchmal auch zu scherzen, Wenn die Kleinen waren müd' , Um die Schüler aufzuheitern Sang er manches schöne Lied. Auch wurd 's Einmaleins gesungen Und getrallert mit den Zungen, Lustig sangen sie, und wer 's Konnt' am besten, der kam rauf; am Schönsten klang der sechste Vers. Unaussprechlich war die Freude Dann, wenn Deischen mit der Weide Schlug laut an das A-B-C: Aller Kinder Augen strahlten, Seufzer stiegen in die Höh! Stimmlein frisch wie Frühlingstöne Klangen froh, und Deis'chens schöne Stimme sang so leise nach, Stieg hinauf und fiel dann wieder Tief herab wie Wellenschlag. Draußen heulte laut der Winter, Jubelnd klang der Chor der Kinder, Achtet nicht auf Sturm und Schnee, Und sie sangen froh und heiter: A-b-c-d-e-f-g... „Federn schneiden, Tinte rühren, Buchstabieren, sillabieren, Lieber möcht' ich Kuhhirt sein, Winters wär ich frei“, stieß Deischen In das A-B-C hinein. „Wer das A konnt' aussewendig, Mußt' es lernen innewendig...“ Leber Himmel, war das schwer! Und genau betrachtet wurde Jeder Buchstab' strack und quer: K hat auf dem Kopf ein Kränzchen, q, das hat ein krummes Schwänzchen Und ist schöner als das O, I hat einen spitzen Schnabel, Wer das Z konnt', der war froh! Schwerer noch war's Buchstabieren: Deischen ließ die Finger führen; Alle standen vor'm Altar Krumm in einem Großen Kreise, Buchstabierten sieben Jahr: We-a-es, was! I-es-te, ist! De-a-es, das! I-es-te, ist! Es-pe-er-a-ce-ha, sprach! Deischen klopfte, und die Kinder Buchstabierten schaukelnd nach. „Hör dr! 's Pfiffercha macht Etka Und der Hipper macht Plesetka!“ Gab am Ofen einer an; Deischen nahm da seine Rute, Beide waren übel dran. Ü-ü, be-e-er, ber, über! A-a, be-e-er, ber, aber! Buchstabierte weiter Deis, Wischte sich mit seinem Schnupftuch Von der Stirne dicken Schweiß. In dem A-Buch war ein Gickel, Und der Gickel las ein Stückel Wunderschön „Kikiriki“. Deis'chens A-Buch ist verschwunden, Unsres fängt jetzt an mit „i“ ... Doch das schönste in der Schule War, wenn Deischen auf dem Stuhle Hinter'm Tisch im Altar saß, Und mit Tränen in den Augen Verse aus der Bibel las. Oh, welch' Texte konnt' er wählen! Und wie int'ressant erzählen Von dem schönen Paradies, Wo die schönsten Früchte reifen, Blumen blüen frisch und süß, Wunderbare Vögel sangen, Aber, wo es gab auch Schlangen, Und die Eva ward verführt, Und, weil sie nicht hört' und folgte Aus dem Garten ward geführt. Wie seitdem die Leut' auf Erden Sündhaft all' geboren werden, Unglücklich sind überall, Arbeiten und sterben müssen Durch den ersten Sündenfall; Und wie dann der liebte Heiland Auf die Erd' kam tröstend, heilend, Wie er für die Menschen starb Und mit seinem Blut am Kreuze Uns das Himmelreich erwarb; Wie im goldnen Himmelsgarten Jetzt die holden Englein warten Auf ein jedes braves Kind, Und welch himmlisch schöne Gaben Droben zubereitet sind! Oh, wie tief fiel, jedes Wörtlein In der Kinder reine Herzlein! Und wie stille saßen sie Seufzend horchend, selig schwimmend Hoch in heil'ger Poesie! VI.KAPITEL Deis'chens Liebe zu seinen Amtsbrüdern Menschen sind dann echte Brüder, Wenn ihr' Herzen und Gemüter Eine heil'ge Kraft verbind't Und, in Harmonie vibrierend, Eines ganzen Teilchen sind. Unaussprechlich war die Liebe Und die zarten Herzenstriebe, Die Deis zu den Küstern nährt' - Seinen teuren Amtsgenossen, die unendlich ihn geehrt. Liebten sich, weil sie sich kannten, Sich so wunderbar verstanden, Oft mit einem halben Wort; Dutzten sich wie rechte Brüder... Und die Kunst, das war ihr Sport. Musizierten, komponierten, Dichteten, philosophierten, Haben Sirach gern zitiert, Und den „Dada mit der Pfeif“ und Ihren Pfaffen fein kopiert. Welche Witze konnt'n sie machen, Und wie ließen sie sich lachen! Pfiffen wie die Nachtigall... Aber gleich, wenn kam ein Fremder, Saßen still und ernst sie all. Doch die treuen Amtsgenossen Haben Tränen auch vergossen... Oh, wie wurden sie gedrückt Unbarmerzig!... Jeder andere Wär' in ihrem Joch erstickt. Aber treu sind sie geblieben Fest und treu stets ihrem lieben Volk, Beruf und Bruderpflicht! Und wie unsre glatten Heuchler Flohen in die Stadt sie nicht... VII.KAPITEL Die Geschichte der NEURUSLANER. Das Leiden ihrer Väter in den ersten Jahren nach ihrer Ankunft (14. Juli 1764) Der Neuruslaner Väter waren Auch vor hundertfünzig Jahren Aus Europa emigriert, Hatten sich laut Manifeste An der Wolga etabliert. Lange hatten sie zu leiden Von den Horden roher Heiden, Wild sah's an der Wolga aus: Finstre Wälder, Fiebersümpfe, Weit und breit kein Dorf, kein Haus! Diebe irrten in den Feldern, Blut'ge Räuber in den Wäldern, In der Steppe der Kirgis, Pugatschjow und andre Feinde, Niemand sie gedeihen ließ. Wölfe heulten nah und ferne, Traurig schimmerten die Sterne Durch die Wolken in der Nacht... Betend weinten junge Mütter, Und die Männer hielten Wacht. Heulend kam der kalte Winter; Es erfroren Wiegenkinder, Größre jammerten um Brot,- An den Brüsten ihrer Mütter Starben sie vor Hungersnot. Die enttäuschten armen Brüder Wollten heim nach Deutschland wieder, Alle wären zurückgekehrt, * Doch verraten von Pastoren, Ward es ihnen nicht gewährt. ------------------------------- * (Lies „Geschichte der deutschen Ansiedlungen an der Wolga“ von G.Bauer, Seite 16) ------------------------------- VIII. KAPITEL Das Kontor und die Pastoren Willkür herrschte im Kontore! Die Beamten und Pastoren Hausten frech zu jener Zeit, Doch die braven Bauern glaubten An der Paffen Heiligkeit. Und die Herren vom Kontore, Inspektoren und Pastoren, Säten zu der Sklavenzeit Finsternis und Aberglaube, Üble Heuchlerfrömigkeit; Manche haben noch gelogen, Die Gemeinden schlau betrogen, Aber welches „Schäflein“ wagt, Seinem Hirten nicht zu glauben? „DER HERR PASTOR HAT'S GESAGT!“ Hochmütig war die Gebärde „Christi Diener auf der Erde“ Damals frech und ohne Scheu... Nur die armen Küster blieben Unsren Freunden lieb und treu. Heilig schimmern ihre Namen, Und der Bruderliebesamen, den sie liebten auszustreun Der gedeihe, wachse, blühe In den Herzen aller Leut' ! Die Historiker und Dichter Sind der Menschen letzte Richter. Unparteiisch ihr Gericht,- Böse, wie die guten Taten Bringen sie ans Tageslicht. Und verdammt, verpflucht auf Erden Werden die Verräter werden; Hochgerühmt doch jedermann, Ewig, heilig, dessen Name, Der für's Volk was Gut's getan! IX. KAPITEL Die Schreckenstage von Mariental ( 15. August 1776 ) Aus der Stepp' in wilden Scharen Kamen blutige Barbaren, Überfiel'n Mariental... * Aus der Hand fällt mir die Feder: Unbeschreiblich Mord und Qual. Zitternd betete und weinte Hände ringend die Gemeinde Laut vor Qual und Mörderhohn: „Steh uns bei, o Mutter Gottes, Und sei unser Schutzpatron!“ Todeshauch umhüllt' den Himel, Schrecklich war das Mordgetümmel Teuflisch war der Räuber Wut,- Hunde heulen, Fenster klirren, An die Wände spritz't das Blut! Mütter jammern, Kinder wimmern, In den Straßen, Höfen, Zimmern Fließt das Blut und herrscht der Tod! In den Brunnen und im Karaman War das Wasser dunkelrot! Viele hatten sich verkrochen, Doch sie wurden auch erstochen, Mancher hatt' sich brav gewehrt, Die noch lebten war'n Gefang'ne, Ganz Mariental zerstört! Traurig blöckten Schafe, Lämmer, Bitter weinten Mütter, Männer, In die Stepp' durch's öde Tal Trieben die Barbaren peitschend Mensch und Vieh zur neuen Qual. Kinder, die nicht konnten folgen, Haben sie durchbohrt mit Dolchen Und dem Steppengei'r zum Fraß, An dem Wege hingeschleudert, Wimmernd, blutend auf das Gras... Unaussprechlich alle Plagen! Weinen, beten, stöhnen, klagen War barbarisch untersagt: Knuten schwirrten auf den Rücken Wenn ein Herz zu seufzen wagt. Erfurt* haben sie die Knochen Am lebend'gen Leib gebrochen, Stachen ihm die Augen aus, Schnitten Riemen aus dem Rücken. Schnitten ihm die Zunge raus... --------------------------------- * Auf dieselbe qualvolle Weise wurde ermordet Pastor Warnboner und über 100 andere Deutsche aus Katharinenstadt und Orlowskoi. --------------------------------- Aus den Händen der Barbaren Retteten sie die Husaren, Nachgeschickt zur rechten Zeit: Aber wer beschreibt die Freude Der Gerett'ten und ihr Leid, Der Verwaisten Tränen, Klagen?: Toten brachte man zwei Wagen Aus der Blut'gen Steppe heim!... Auf dem Platz, wo sie beerdigt, Liegt noch heut' der Trauerstein. Viele waren ganz verschwunden, Und man hat sie nie gefunden... Nur drei Männer* kam'n zurück, Einer hieß Kirgisenmichel, Märchenhaft war sein Geschick... --------------------------------- * (Pater Johannes und Schulmeister Dalfuss) --------------------------------- Doch darüber ist erschienen, Über's Schicksal dieses kühnen Michels auch ein Büchelein, Das wir öfter schon gelesen Haben alle, groß und klein. Also kämpfen unsre Väter; Sich vermehrend, drangen sie später In die Stepp' gen Jeruslan, Gründeten dort neue Dörfer Unter andern Neuruslan. X.KAPITEL Die Kirgisen in NEURUSLAN ( 1.Mai 1841) Auf dem Dach stand einmal Deischen, Flickte was am Küsterhäuschen; 's war im schönen Monat Mai, Duftend dehnte sich um's Dörflein Aus die grüne Steppe frei. Millionen Stimmen klangen Aus den Halmen und es sangen Trillernd Lerchen aus der Luft. Jedes Blümelein verbreit'te, Liebe flüsternd, süßen Duft. In den Gärten, hinter'm Zäunchen, Blühten junge Kirschenbäumchen, Auf das frische zarte Laub Goß die helle Frühlingssonne Feur'gen Diamantenstaub. Deischen sang. Er sah mit Freuden Hinter'm Dorf die Herde weiden, Seinen alten Fuchs gespannt. Jubelnd spielten seine Kinder Barfuß auf dem Hof im Sand. „Guten Morgen, Heinevetter, Ai-ja-jai, was schönes Wetter!“ Rief Deis freundlich. Jeden Mann, Den er nah und fern erblickte, Sprach er grüßend höflich an. „Es ist eine wahre Wonne, - Fuhr er fort, - wie strahlt die Sonne! Ai-ja-jai, sie meint's heut' gut; Gottes Gnade ist die Sonne, Und sie reinigt Leib und Blut.“ -Ja, mr hun jetz schönes Wetter, - Gab sich ins Gespräch der Vetter, Und er schielte in die Hoh' , Stopfte seine Pfeif und sagte, Daß er geh' „an die derr See“. Auf dem Kirchplatz grasten Schweine, Rote, schwarze, große, kleine... Und zwölf Ferkel mit der Sau; Weiter unten, hinterm Zaune Krächzte eine alte Frau. „Wem gehören jene Schweine?“, Fragte Deis den Vetter Heine „Selt sein 'm Kasain sei' Sai, Sell Sai,.. wart, wem söll sell Sai sei? Aach sell Sai könnte sei Sai sei'“. „Ist es wahr, die Leute sagen, Ihre Alte tät sich klagen? Hat sie nicht die Mutterplag?.“ „Hitze hot se, saht se hätt se, Schwitze, kotze tut se aach“. „Wünschen sie wohl, daß ich bete Für die Wes Kathrinmargrete?“ „Bitt euch, glaub se hot die Ruhr, Lametieren tut se, jammern Tag un Nacht in aner Dur“. Seufzend ging der Alte weiter, Deischen rückte seine Leiter nähher nach der Straße hin, Traurig ward er, denn die Kranke Kam ihm nicht mehr aus dem Sinn. Plötzlich rief er seine Jungen, Blitzschnell kamen zwei gesprungen. „Kinder, - sprach er - geht mal schnell Zu der alt Kathrinmargrete Bringt ihr Tee und Pipernell.“ Kaum war's letzte Wort verklungen, Sind auch beide schon gesprungen, Satzten mutig in die Höh', Und sie brachten schnell der Kranken Pipernell und guten Tee. In dem Mistbeet kriegten Spatzen. Zwei verzupfte graue Katzen Saßen auf dem Stangentor, Und sie wuschen sich die Fratzen, Eine auch das linke Ohr. Deischen scheuchte fort die Spatzen Und beobacht'te die Katzen. „Du, - rief er, - heut' gibt's Besuch, Und die Gäste müssen kommen Ganz bestimmt vom schwarzen Bruch.“ Gäst' empfing der Küster gerne, Und er schaute in die Ferne Aufmerksam nach Sonnaufgang. Lange schaute er; vom Brunnen Kam ein junges Weib und sang. Als der Küster sie erblickte, Grüßte er sie froh und nickte Mit dem Kopf. In seinem Sinn Dachte er: zwei volle Eimer - Das bedeutet oft Gewinn. Und das Weibchen mit den Eimern Trat zum Küster. Von Zigeunern, Sagte, hätte sie geträumt, Und von vielen, vielen Wölfen, Und vor Angst in Traum geweint. Doch, was mag der Traum bedeuten? Deischen konnte Träume deuten. „Alle Träume sind von Gott, - Sprach er, - und die Wölf' bedeuten Große Angst und viel Klapott.“ „Aber bitte, die Zigeuner?“ „Wieviel war'n 's? Wohl mehr als einer?“ „Zweie nur, der eine scheeel.“ „Das bedeuten Musikanten, So erfüllt's sich, liebe Seel'!“ Überzeugt ging Ambet weiter, Deis sang wieder froh und heiter, Plötzlich rief er: „Meiner Treu, Glaub' dort kommen die Kirgisen! Flink die grasse Millis bei!“ „Möglich sein's die schlechten Geister,- Sagte Milis, - Herr Schulmeister, Schwach sei' aach ma Aaga schun, Schickt doch mol noch Wostra Glasser,* Bettje, dui, die hun ka Hun!“ -------------------------------------- Wostra Glasser = Osstroglasyj (verstelltes rus.) "Scharfauge" -------------------------------------- In die Stepp' guckt Wostra Glaser, In die Augen schoß ihm's Wasser, Plötzlich schrie er: „Ach, Herr Jes! Tausendschockmillion Kirgisen Sterwa mürs' mr Millis Wes!“ Deischen ließ zusammenläuten, Um zu melden allen Leuten Von der drohenden Gefahr, Denn auch er sah jetzt ganz deutlich, Daß der Feind schon nahe war. Und es eilen alle Leute In das alte Schulgebäude Aufgeregt. Der Schrepper Schrie: „Langsam, ihr dort, laaft manierlich, Rennt net wie das wilde Vieh!“ In dem Schulhaus knieten nieder Alle fromm und sangen Lieder. Oh, wie sang der Küster schön! Plötzlich kamen die Kirgisen An die Tür und blieben steh`n. Stehen blieben die Kirgisen Wie erstarrt mit ihren Spießen: So etwas wie Deischen sang, Hatten sie noch nicht gehört, Waren ganz entzückt vom Klang, Von der Macht der schönen Lieder. Höflich gingen alle wieder Sachtig naus und machten zu Leise hinter sich die Türen, Ließen Neuruslan in Ruh'. Deischen sprach: Ihr lieben Brüder, Offenbart hat Gott sich wieder Bei uns heut' als treuer Wirt, Und uns Schäfelein gerettet, In der wilden Stepp' verirrt. XI. KAPITEL Unaussprächlich war die Freude Und die Dankbarkeit der Leute: Manche schenken Deischen Wurst, Andre brachten dünne Kuchen, Fedka sorgte für den Durst. Reich war'n aller Leute Gaben Leib und Seele konnt' sich laben, Nur schrecklich lange ließ sie Deis Mit dem vielen Beten warten, Fedka leckt vor Durst den Schweiß. Endlich sprach der Küster: „Amen. Eßt und trinkt in Gottes Namen.“ Auf dem Tisch stand Supp' und Brei. Alle saßen nach dem Alter An dem Tisch in Langer Reih' Langsamen kauen sie und blasen, Viele kriegen rote Nasen. Fedka macht mitunter Spaß Und gastiert die Gäst' mit Brantwein, Viele nippen erst aus 'm Glas. „Trink doch aus! - empört sich Fedka, - Guck nor, die do was fer Etka!“ Schrepper trank seins immer leer. „Steht in guter Hand“, sprach Bärbel, Fedka dankte für die Ehr': „G'sundheit! - rief er - Glück un Sega! Seele bück dich, es kommt 'n Rega!“ Und er stülpt das Gläschen um. Alle lachten, und der Fedka Schenkte lustig weiter' rum. Leichter ward's auf ihren Lungen Und der Weiber lange Zungen Wurden weicher nach und nach; Nach viel tiefen, schweren Seufzern Eine zu der anderen sprach: „Gest Nacht stunne vor ma Fenster Zwei abscheuliche Gespenster! un bei Glische hot's gespukt... Wißt ihr schun, das Derrmauls Schnerch sich On dem Vollmond hot verguckt?“ Von Politik sprach der Küster: „England hat jetzt zwölf Minister.“ „Zwölf Minister! Guck nor do! Un in Rußland is nor aaner?“ „Ja, die Sache sei' halt so.“ „Liewer aaner, als wie kaaner!“ „Un was hört mr vum Japaner?“ „Der Japaner, liebe Leut', Wird wohl Rußland einst besiegen... Aus is die Gerechtigkeit!“ „Glab, die Welt, die geht bald uner?“ „For mich wär's aach gar ka Wunner: Schlaht nor in dr Bibel noch: An die Römer steht geschriwa: Un he antwort'te un sproch...“ „Un was schreibt jetzt der Kalender?“ „Regenwetter, liebe Männer... Hör mol, Fedka, du Filu, Macht das Rockvieh net besoffa, Horch dem Schulmaster mit zu!“ Doch das „Rockvieh“ ist schon selig, Singen „Hosianna“ fröhlich, Die alt Ziert, die singt „Tenor“. Ihre lauten Stimmen klingen Laut wie ein Soldatenchor. Fedka holte Musikanten, Den berühmten, weitbekannten Schnepperpatsch, den scheelen Lusch. Ins Zimbal warf Fedka mutig Neun Kopie und sang 'en Tusch. Nach ihm sangen andre Männer, Lauter auserles'ne Sänger! Und jetzt ging das Tanzen los: Jeder pfiff sich eine Dame Oder gab ihr einen Stoß!... Lustig trappeln sie und schreien, Pfeifen, tanzen in drei Reihen. Schüttern tut das ganze Haus, Und sie schwitzen, daß sie müssen Ziehen ihr' Wamskofta aus. Deis blieb nüchtern nur alleine, Denn Getränke trank er keine, Niemals Schnaps, auch keinen Wein. Ließ die Gäste jubeln, toben, Philosophisch sah er drein. Und die Gäste tanzen weiter; Menschenwellen wogen heiter In des Schleifers wildem Kreis, Und der Boden stöhnt und zittert, Und zu Qualm wird heißer Schweiß. Und die nassen Wände beben. Schnepperpatsch spielt auf Tod und Leben, Lusch schlägt tapfer auf den Stahl, Und die laute Geige wirbelt, Und es schmettert das Zimbal. Millis schwänzelt und der Fedka, Himmel, macht der Kerl Plesetka!* Glitsche Schlepper tanzt verkehrt, Bärbel hat ihn umgestoßen, Alle flogen auf die Erd. ------------------------------------- * Plesetka = Prissjadka (rus.) - eine Art zu tanzen ------------------------------------- Und sie quicken, kichern,lachen, Und die Tisch' und Bänke krachen. „Jesses, das geht kontra her, - Schrie der Schrepper, - hör mal Schepper Tanz nicht immer kreuz und quer!“ Und 's Pläsier beginnt von neuem, Alle stellen sich in Reihen, Und der Schrepperpatsch, und der Lusch Spielen ihrer Väter alten Und den halbvergeßenen Tusch: „Aus der schönen Schweiz, aus Schweden, Aus den schönsten deutschen Städten Und aus Frankreich emigriert, Haben sich am Wolgastrome Unsre Väter etabliert. Alle wurden Kolonisten, Jäger, Künstler, Bauern, Fürsten, Gründeten ein neues Reich, Schweden, Deutsche und Franzosen Wurden Brüder - alle gleich. Brüder wollen wir ewig bleiben, Selbst der Tod soll uns nicht scheiden, Stirbt der Leib, es lebt der Geist! Fest und treu in allen Zeiten, Lustig, wenn es lustig heist! Schönheit, Poesie und Liebe Nähren zarte Geistestriebe, Und der Wein erfreut das Herz, Frohe Lieder, liebe Brüder, Jagen Leid und lindern Schmerz. Darum trinkt und singt heut, Brüder, Trinkt und füllt die Gläser wieder, Alle voll mit süßem Wein! Immer lustig, immer durstig, Glücklich laßt uns heute sein! Ehrlichkeit, die helle Sonne, Treue Liebe, süße Wonne, Einigkeit bleibt unsre Kraft, Ewig heilig unser Wahlspruch: Freiheit, Gleichheit, Brüderschaft!“ Wieder hat der Tanz begonnen, Fedka hat die Dick genommen Und der Schrepper die alt Ziert, Derrmauls Jab tanzt mit der Bärbel, Glitsche Schepper balanciert. Und sie tanzen lustig weiter; Menschenwellen wogen heiter, In des Schleifers wildem Kreis Und der Boden raucht und glühet, Von der Decke tropft der Schweiß. Und die nassen Wände tränen, Beben, dröhnen, zittern, stöhnen, Jubellärm steigt aus dem Tal, Und die laute Geige wirbelt, Und es schmettert das Zimbal! Deis sang leise Gotteslieder: „Blick in Gnade auf uns nieder“, „Christus unser Schutz und Hord“... Plötzlich, als es 11 geschlagen: „Unser Ausgang segne Gott!“ Und es gingen fort die Gäste, Dankten vielmals noch aufs beste Deischen für die Lieb' und Treu', Und entfernten sich im Dunkeln Durch die Kreuzgaß etwas scheu. XII. KAPITEL Der Küster allein mit seiner Familie Deis'chens Weib machte die Betten, Wusch und legte ihre netten, Liebe Kindelein hinein, Und das kleinste in der Wiege Sang mit zarter Stimm' sie ein: „Schlaf, mein Kind' es liegt noch ferneMüde von des Tages Sorgen, Aufregung seit frühen Morgen, Ging die Küster'n nun zur Ruh; Sie verlas den Abendsegen Und schloß müd' die Augen zu. Deischen saß im Nebenzimmer, Halbbeleucht't vom Kerzenschimmer, Sich erbaut an Gottes Wort, Schrieb er ernste, heil'ge Worte... Stille war's im Haus und Ort. Deischen schrieb die Leichenrede Für die alt Kathrinmargrete, Deren letzter Wunsch es war, Daß der Küster sie beerd'ge, Nur der Pastor nicht, bewahr!... Und er schrieb, und schrieb mit Tränen, Seuftzte tief von Schmerz und Sehnen, Manchmal stand er auf ganz sacht, Schaute durch das offne Fenster In die schöne, stille Nacht. Alles schlief in süßen Träumen; Von den weißen Kirschenbäumen Fielen Blütenflocken ab, Und die Sterne blickten freundlich Aus dem Ozean herab. Aus den fernen Wolgawiesen Wehten leise milde Briesen; Tief versteckt im Blütenraum Des geheimnisvollen Gärtchens Sang ein Vögelein im Traum. Zarte Bäumlein, nachtumwoben, Schauten nach dem Himmel oben, Schmachtend durch die dunkle Nacht, Wo die schönen hellen Sternlein Leuchtend glüh'n in goldner Pracht. Und die hellen gold'nen Sterne Blickten strahlend aus der Ferne, Winkten zu sich in die Höh', Flüsternd blüht'n die zarten Bäumlein Wein'n vor Lieb und Liebesweh... Plötzlich durch die Macht der schönen Nacht, brach Deischen aus in Tränen, Süß erwürgt vom heil'gen Schmerz. Zitternd schlug in seinem Brüstlein Laut das große treue Herz. „Oh, wie sollt' ich dich nicht loben, Schöpfer, der du thronst dort oben, Wenn ich deine Werke seh'!“ Deischen faltete die Hände, Schaute seufzend in die Höh! Lang' noch sann und schrieb der Küster... Lauter wurde das Geflüster In dem duft'gen Blütenraum, Und das Lied des kleinen Vögleins Nun erwacht schon aus dem Traum. Schon fing an der Tag zu grauen, Es erwachten schon die Frauen, Und der Hirt hat schon geknallt, Als der Küster ging zu Bett... Übermüdet schlief er bald. XIII. KAPITEL Aa Deis'chens Grabe Tot ist Deischen, doch die Leute Denken liebend sein noch heute Ihm zu Ehr' am ersten Mai Feiern sie ein Fest alljährlich. Und zu diesem großen Feste Kommen viele, viele Gäste, Kranke auch 'ne bunte Schar, denn an diesem Tag genesen Viele Kranke jedes Jahr. Lahme, Blinde, die nicht sehen Alte Greise, die kaum gehen, Krumme Mütterchen am Stab, Witwen kommen und versammeln Sich um Deis'chens grünes Grab. Alle haben festen Glauben, Und den läßt sich niemand rauben, Er erquickt das kränkste Herz: Schon ein Splitterchen vom Kreuze Hilft vor Zahnweh, stillt den Schmerz. Auf dem Grab steht eine Linde, Grün und frisch ist Blatt und Rinde, Und sie blüht am ersten Mai, Niemand weiß, wer sie gepflanzt hat In der Steppe leer und frei. Aus dem Grabe wuchs die Linde! Und wer sie verlezt, tut Sünde. Oh, das weiß wohl jedermann: Wieviel Wunder hat die Linde Schon in Neuruslan getan! Dieser Linde Kraft und Güte Ist in ihrer süßen Blüte, Daraus kocht man Frühlingstee, Wer den Frühlingstee getrunken, Ist geheilt von allem Weh. Auf der Linde schlägt am Abend Herzerquickend, seelelabend, Laut ein kleines Vögelein. Seine traurig süßen Töne Dringen tief ins Herz hinein. Und die traurig süßen Töne Pressen manche heiße Träne Aus dem kranken armen Herz. Himmlisch singt das zarte Vöglein Lindert tröstend jeden Schmerz. Und es dringt mit seiner Liebe In die Herzen Trost und Friede, Schwachen gibt es Kraft und Mut Und den jungen Leute - Liebe, Treuer Liebe heil'ge Glut. Über'm Grabe leuchten Sterne, Winken in die dunkle Ferne, Wo die lieben Englein sind, Lazarus' und Deis'chens Seele, Und das holde Weinachtskind. David Kufeld Nowousensk, Weinachten 1913 |